Die Philosophie der japanischen Teezeremonie
Im Gegensatz zur chinesischen Teezeremonie, wo es hauptsächlich um die Vielfalt der Geschmacksrichtungen der einzelnen Teesorten geht, tritt bei der japanischen Teezeremonie stärker der rituelle spiritistische Teil der Zeremonie in den Vordergrund.
Für Laien oder uns Europäer ist es nicht einfach alle Schritte und komplexen Handlungen zu verstehen. Selbst Kenner des Teeweges, wie die Zeremonie eigentlich heißt müssen ein Leben lang an der Perfektionierung arbeiten.
Eine Teezeremonie besteht aus einer Handlungs- und einer spirituellen Ebene. In allen Stufen durchgeführt, dauert so eine Zeremonie fast einen halben Tag, wobei zweimal Tee gereicht und eine Mahlzeit eingenommen wird.
Der Teeweg ist nur einer von zahlreichen zen-buddhistischen Schulungswegen. Bei uns in der westlichen Welt sind außerdem Bogenschießen (Kyodo), Schreibkunst (Shodo), Schwertkunst (Kendo) und die Blumensteckkunst (Ikebana) bekannt.
Im zwölften Jahrhundert brachten japanische Mönche die Teesitte von einem Aufendhalt in chinesischen Zenklöstern nach Japan. Dort wurde der grüne Tee, der in Pulverform verwandt wurde zur geistigen Stimulans und inneren Ruhe bei Meditationen eingesetzt.
Von den Mönchen kam die Teezeremonie zu den Adligen, Samurai und später auch zu den Handelsleuten. Sen Rikyû (1522-1591) vereinigte die verschiedenen Teezeremonien, durch ihn nahm der japanische Teeweg seinen Anfang als spiritueller Lebensweg.
„Schaum aus flüssiger Jade“ (Matcha) so heißt der Tee, der für die Zeremonie benutzt wird. Matcha hat einen unverfälschten, reinen, leicht bitteren Geschmack. Durch die besondere Herstellung des Teepulvers, nimmt der Teetrinker beim Genuss des Tees alle im Teeblatt enthaltenden Wirkstoffe auf.
Die vier Grundprinzipien die den Teeweg umfassen sind, Wa, Kei, Sei, Jaku.
Begibt man sich auf den Teeweg, lässt man die Streitigkeiten des Alltags beiseite, es herrscht Harmonie, Hochachtung und Stille, die den Gastgeber und den Gast einen.
Wa-Harmonie
„Wa“ bedeutet Harmonie und drückt das Gefühl des Einsseins mit der Natur und den Menschen aus.
Kei-Hochachtung, Ehrfurcht
„Kei“ bedeutet Respekt und Hochachtung. Respekt erwächst aus einem Dankbarkeitsgefühl gegen über den Menschen und den verwendeten Gegenständen der Teezeremonie, sowie unserem täglichen Leben.
Sei-Reiheit
„Sei“ bedeutet Reinheit, Sauberkeit und Ordnung, im körperlichen wie im geistigen Sinne. „Sei“ bedeutet auch Einfachheit und findet Ausdruck im weglassen aller unnötigen Elemente.
Jaku-Stille, Heitere Gelassenheit
„Jaku“ bedeutet Still. Durch die dauernde Übung von „Wa“ , „Kei“ und „Sei“ wird man auf die völlige Ruhe und Stille des „Jaku“ vorbereitet. Dies bedeutet aber nicht nur das Fehlen des Alltagslärms, sondern auch die Geistige und Körperliche Stille und heitere Gelassenheit, würde diese innere dynamische Kraft des Seins fehlen, wäre der Sinn des Teeweges verfehlt.
Ablauf eines Teeweges
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Die Trittsteine und das Moos der Gartenwege werden gereinigt und frisch mit Wasser besprengt, bevor die Gäste pünktlich erscheinen. Dies symbolisiert den roji „der im Tau glänzende Bergpfad“ der Lotussutra, der als der kühle Ort der Befreiung vom Feuer der Leidenschaften und des Leidens gesehen wird. So ist der Gartenweg „abseits des Weltgetriebes, der das Herz wohl reinigen wird“ ( Sen no Rikyû )
Während die Gäste auf einer Wartebank Platz genommen haben, erscheint schweigend der Gastgeber und reinigt, in Sichtweite der Gäste ein in Stein gehauenes Wasserbecken, in das er anschließend frisches Wasser füllt. So wissen die Gäste, dass das Wasser, mit dem sie sich gleich Hände und Mund reinigen frisch und klar ist. Durch diesen Akt der Reinigung streifen Gastgeber und Gäste die Hektik und den Staub des Alltages von sich ab.
Betreten die Gäste den Teeraum, so müssen sie sich oft ehr kriechend als gehend hineinbegeben, denn die Öffnung des Einganges misst nur 70 cm im Quadrat. Auf diese Art werden alle Rangunterschiede demütig abgestreift und Gast, so wie Gastgeber begeben sich auf eine Ebene.
Zugleich ist dieser niedrige Eingang der Zugang zu einem Ort der Stille, in dem alle Frieden und zu sich selbst finden sollen, um die so gewonnene Harmonie und den Frieden nach der Teezeremonie in den Alltag mit hinüber zunehmen.
Alles Laute, was von der Stille des sparsam dekorierten Raumes ablenken könnte wird vermieden. Die Farben des Raumes und der Duft des Feuers entsprechen dem „Reinen Land“ des Buddha, sie sind still und erdfarben und kein anderer Duft stört diesen gesamt Eindruck. Die Geräusche sind zurückhaltend, das Wasser im Teekessel siedet leise, wie Wind in den Kiefern, der „Herz und Ohr reinigt“. In der Tokonoma, der Schmucknische hängt eine strenge Zen-Kaligraphie, die das Motto der Tee-Einladung angibt. Stets sollen sich Gast und Gastgeber der Einmaligkeit dieses Augenblicks bewusst sein.
„Stein in der Brusttasche“
Nach der kurzen Begrüßung serviert der Gastgeber ein kleines aber kunstvolles Mal, das Kaiseki – „Stein in der Brustasche“ genannt wird. Zenmönche hatten früher, um bei langen Meditationen den Hunger zu unterdrücken einen kleinen Stein in der Brusttasche auf dem Magen liegen.
Dieses kleine Mal erinnert an ein Essen im Zenkloster, ist allerdings nicht rein vegetarisch. Alle fünf Geschmackssinne sollen, durch die sorgfältig komponierten Farben und den Duft der Speisen angesprochen und gesättigt werden. Nach der Auffassung Buddhas entsteht das Leiden durch den sechsfachen Durst bzw. Hunger: den Hunger zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken, zu fühlen und zu wissen.
Durch den so gestillten Hunger ist der Mensch frei von jedem Leiden und kann die Dinge so wahrnehmen, wie sie sind, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzulassen. Dann ist das Herz rein wie ein Spiegel, der die Dinge klar und unverfälscht wiederspiegelt.
Während einer kleinen Pause, in der die Gäste im Garten warten, legt der Gastgeber die sorgfältig geschnittene und gewaschene Holzkohle auf das Feuerbecken, damit das Teewasser nachher die ideale Temperatur hat. Die Holzkohle wurde gereinigt, damit anhaftender Staub sich nicht entzündet und durch Funkenflug die Harmonie zerstört.
Der Raum wird neu dekoriert. Die Zen-Kalligraphie, die während des Essens in der Tokonoma hing und daran erinnern sollte, dass man sich nicht zu einer netten Unterhaltung getroffen hat, sondern zu einer gemeinsamen Meditation wird entfernt und durch einen Blumenschmuck ersetzt.
Nach der Pause wird der Gastgeber in strenger Meditation eine Schale Tee zubereiten. Diese Strenge wird durch den heiteren Blumenschmuck, der weder durch seine Pracht noch durch seinen Duft von der Konzentration ablenken soll, sondern laut Rikyû „so gesteckt sein soll, als wäre er auf einer Wiese gewachsen“ gemildert.
Eine Schale Tee „Koicha“
Ein Gong ruft die Gäste in den Teeraum zurück und der Gastgeber bereitet in völligem Schweigen eine Schale dicken Tee „Koicha“.
Der Gastgeber reinigt mit einem Seidentuch die Teegräte, wobei das Tuch in einem komplizierten Vorgang gefaltet wird. Das Tuch symbolisiert die vier Weltengegenden oder nach einer anderen Tradition die Einheit von Himmel und Erde, Göttern und Menschen. Durch das Falten werden die Vier zu einer kosmischen Einheit gefaltet und der Gastgeber hat Gelegenheit während der Konzentrationsübung seine Atmung zu harmonisieren, und alle Gedanken an das Gestern oder Morgen wegzuwischen und zu einer körperlichen und geistigen Harmonie zu finden.
Die Gäste beobachten diesen Vorgang und gleiten so in die gleiche Harmonie und die Grenzen zwischen Gastgeber und Gast werden aufgehoben : „kein Gast – kein Gastgeber“ (mu hin shu) . Diese Verschmelzung der Grenzen lässt die Sinne wach und klar werden. Das abschließende Reinigen der Schale mit kalten Wasser klingt wie ein kühler Wasserfall in den Bergen.
Am Klang der Teeschale kann man die Temperatur des heißen Wassers wahrnehmen. In dem Augenblick, wo heißes Wasser auf den Tee gegeben wird erfüllt der Duft des Tees den ganzen Raum und umhüllt und eint Alles.
Der Gastgeber füllt den pulverisierten Tee in die Schale, gibt wenig Wasser hinzu und knetet den Tee zu einem glatten Brei. Jeder Gast nimmt drei Schluck von dem Tee und reicht die Schale weiter zum nächsten Gast, bis zum letzten, der sie leert. Durch diese gemeinsame Handlung wird das Eins-Sein noch unterstützt.
Tee für den Alltag „Usucha“
Nach dieser strengen Meditation wird die Atmosphäre wieder heiterer, ohne dass die Konzentration nachlässt.
Nach einer weiteren Holzkohlen- Zeremonie bereitet der Gastgeber dünnen Tee „Usucha“. Wie bei der „Koichazeremonie“ werden die Teegeräte zunächst hereingetragen und in einem meditativen Prozess gereinigt. Danach bekommt jeder Gast eine eigens für ihn zubereitete Schale Tee. Um die Einheit und die harmonische Zusammengehörigkeit zu unterstreichen handelt es sich dabei um immer die selbe Schale. Haben die Gäste genug getrunken, reinigt der Gastgeber erneut die Geräte, bevor er sie wieder hinausträgt.
Die Zeremonie läuft ab diesem Zeitpunkt genau rückläufig, so dass alle Handlungen in sich wieder aufgehoben werden. Damit setzt der Gastgeber symbolisch das Zeichen des Nicht-Tuns, des „Wu wie“ des Taoismus. Die gesamte Handlung soll spielerisch und zweckfrei wirken um die Absichtslosigkeit und Gelassenheit der Einladung zu unterstreichen.
Der ganze Ablauf einer Teezeremonie mit Essen, Holzkohlezeremonie, Koicha, 2. Holzkohlezeremonie und Usucha dauert mit maximal 5 Gästen zwischen 4 und 6 Stunden, in der man durch ein genaues Ritual in die Stille eines zweckfreien Tuns geleitet wird.
Sen no Rikyû wurde von einem Schüler gefragt, was der Sinn des Teeweges sei. Rikyû antwortete in der für den Zen typischen Untertreibung und der Reduktion auf das Wesentliche: "Wasser holen, Feuer anzünden, Wasser erhitzen, Teeschlagen und trinken, das ist alles!" Als der Schüler bemerkte: "Das kann ich alles schon!" "sagte Rikyû: "Dann möchte ich Dein Schüler werden!
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